Was bringt die Zukunft in der Landwirtschaft?
Rund 275.000 landwirtschaftliche Betriebe mit etwa einer Million Arbeitnehmern erzeugen in Deutschland Lebensmittel der unterschiedlichsten Art. Gut die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik wird landwirtschaftlich genutzt. Damit ist Deutschland innerhalb der EU der viertgrößte Agrar-Erzeuger, gleichzeitig jedoch nach Frankreich der zweitgrößte Exporteur von Agrar-Erzeugnissen.
Hinter all diesen imposanten Zahlen stehen Unternehmen unterschiedlichster Größe, wobei Größe heute nicht mehr nur in Hektar gemessen wird. Angesichts der Problematiken aus dem Klimawandel sowie stetig steigenden Preisen für Ackerflächen wird sich in Zukunft Landwirtschaft in eine neue Richtung orientieren müssen. Der oder die moderne Landwirtin wird hohe Erträge auf kleineren Flächen erzeugen müssen und gleichzeitig den Anforderungen bezüglich gesteigertem Qualitäts- und Umweltbewusstsein der Verbraucher gerecht werden. Dem steht jedoch unter anderem der fortschreitende Klimawandel entgegen und leider eine nach wie vor ungerechte EU-Subventionierung, die sich fast ausschließlich an der flächenmäßigen Größe oder Besatzzahl des Agrar-Betriebes orientiert.
Sicher träumen nicht wenige Verbraucher, vor allem in den Großstädten, vom idyllischen Leben auf dem Lande. Dort wo die Bäuerin am Morgen mit dem Melkschemel in den Stall geht, um die Kuh mit der Hand zu melken oder der Bauer den Dung der Tiere mit der Schubkarre auf den Misthaufen fährt. Derweil begrüßt der Hahn mit seinem Krähen den neuen Tag. Ein Bild, das durchaus einer Realität entspricht, der Realität des Jahres 1950. Vor 70 Jahren erzeugte ein Bauernhof soviel Lebensmittel, dass davon 10 Menschen satt wurden. Heute werden auf der gleichen Fläche Lebensmittel für 134 Menschen erzeugt. Allein mit gutem Willen und viel Tatkraft geht das nicht. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel von verbesserter Zucht und landwirtschaftlicher Maschinerie, die das ermöglicht. Viele betriebliche Vorgänge sind in der Landwirtschaft automatisiert oder wesentlich effizienter gestaltet als früher. Futterautomaten sind genauso Teil der Infrastruktur einer Landwirtschaft wie Aussaatmaschinen, die das Korn präzise im richtigen Abstand in den Boden einbringen, um aus dem Acker den höchstmöglichen Ertrag zu erzielen. Leistungsstarke Traktoren und Radlader bestimmen das Bild auf dem Hof wie auf den Feldern und der Landwirt ist längst auch zum Chemiker avanciert, der etwa den pH-Wert des Bodens ermittelt und mit entsprechender Düngung die Krume optimiert.
Der Besuch eines Supermarktes muss bei einem Landwirt eigentlich zwiespältige Gefühle erzeugen. Dort finden sich unzählige Produkte, die mittels Zusatzstoffen und Hilfsmitteln (es gibt rund 500 in der EU zugelassene Zusatz- und Hilfsmittel) von der Lebensmittelindustrie hergestellt werden. Vom ursprünglichen Lebensmittel, das eigentlich die Basis sein sollte, ist oft fast nichts mehr vorhanden, außer der Werbung auf dem Etikett. In den letzten Jahren setzte vermehrt ein Trend hin zu Bio-Produkten, die bestimmten Normen und Standards unterliegen „sollten“, etwa die pestizidfreie Erzeugung. Die Anführungszeichen bei „sollten“ signalisieren, dass sich die Lebensmittelindustrie der Sache angenommen hat und angebliche Bio-Produkte in solchen Mengen auf den Markt wirft, das selbst das berühmte Milchmädchen erkennt, das so viel Bio gar nicht erzeugt werden kann, wie es angeboten wird.
Trotzdem ist Bio die Zukunft, es sei denn, der oder die Verbraucherin findet sich damit ab, in Zukunft Lebensmittel zu konsumieren, die ausschließlich in der Retorte erzeugt werden. Deutsche Landwirte haben in Bezug auf die Produktion von Bio-Produkten eigentlich gute Karten, denn Mitteleuropa ist von der Klimakrise weniger stark betroffen als etwa die Mittelmeerländer. Allerdings schrumpft die landwirtschaftliche Fläche in der Bundesrepublik jährlich um rund 550 Quadratkilometer, das entspricht etwa der Fläche von Köln und Düsseldorf zusammen und tatsächlich werden aus den Äckern meist Verkehrswege oder Gebäude. Gleichzeitig wollen immer weniger Menschen Lebensmittel verzehren, deren Liste der Zusatzstoffe oft länger ist als der Beipackzettel von Medikamenten.
Hochwertige und umweltgerechte Produkte in geringeren Mengen
Masse und Klasse schließen sich in der Regel aus. Es ist kein Geheimnis, dass in der Landwirtschaft und der Tierzucht längst ein Punkt erreicht ist, der der Masse den Vorrang gibt. Zum Leidwesen der Tiere und zum Leidwesen der Agrarflächen. Kommt es hier nicht zu einer Umkehr, steuert Deutschland auf eine Dystopie zu, mit toten Flächen, in denen nichts mehr lebt. Ein Beispiel ist das dramatische Insektensterben und welches Kind kennt heute denn noch eine richtige Blumenwiese? Selbst die Menschen, die in ländlichen Regionen leben, sind meist von einförmigen, riesigen Monokultur-Flächen umgeben, weil für Landwirte heute die Devise gilt: Wachstum oder Sterben. Dabei sinken die Gewinnmargen für die erzeugten Produkte kontinuierlich, immer unter dem Vorwand, der Verbraucher will es halt immer billiger.
Es gibt zwei Wege, in der Zukunft Landwirtschaft zu betreiben. Zum einen wird das Feld sprichwörtlich den großen Agrar-Unternehmen überlassen, die auf tausenden von Hektar Monokulturen anbauen und zum Betrieb riesige Maschinen benötigen, die wiederum nur auf eingeebneten Flächen fahren können. Ohne Platz für Hecken, Randwiesen oder Feldraine, die Kleintieren und Insekten Habitate bieten und den Wind davon abhalten, den Mutterboden der Felder abzutragen. Genauso werden in der Tierzucht Turbokühe, Turboschweine und Turbohühner eingesetzt, die ihr kurzes Leben in qualvoll engen Ställen und Käfigen zubringen, vollgestopft mit Antibiotika.
Die andere Art der Landwirtschaft ist der Betrieb kleinerer Anbauflächen mit Feldrainen und Hecken sowie in gesunder Wechselfruchtfolge, die den Boden nicht auslaugt und die Notwendigkeit der Düngung verringert. Kühe, Schweine und Hühner in Freilandhaltung. Genauer gesagt eine Landwirtschaft, in der Bio das Normale ist.
Sicher werden diese Produkte teurer sein, aber auch gerechter und fairer für den Landwirt oder die Landwirtin, genauso wie für den Verbraucher. Dabei kann der Landwirt auf ausgereifte Maschinentechnik zurückgreifen, denn die gibt es auch für landwirtschaftliche Betriebe, die nicht auf Monokulturen, großflächigen Chemieeinsatz und antibiotisch unterstützte Turbozucht setzen. Im Gegenteil, der ökologische Landbau benötigt mehr Maschinentechnik, jedoch eher kleinteilig. Von dem Eingang erwähnten 275.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland haben inzwischen rund 35.000 auf ökologische Landwirtschaft umgestellt und täglich werden es 8 bis 10 mehr, das macht Hoffnung, dass die Blumenwiese mit Insektengebrumme und Vogelgesang bald wieder zum Alltag gehört.
Wir von Wematik wünschen viel Erfolg für die Zukunft
Wematik.de
Geschrieben am: 2021-10-28