Grüne Landwirtschaft – was bringt die Zukunft?

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In den 1940er Jahren begann etwas, das einerseits viel Gutes bewirkte, andrerseits gravierende Umweltschäden erzeugte und, wie heute bekannt ist, einer der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Es war die sogenannte grüne Revolution, die damit begann, dass Mexiko aus den USA mithilfe der Rockefeller Foundation spezielle Weizensorten importierte, die einen wesentlich höheren Ertrag brachten. Es war zugleich der Anfang der Agrar-Industrie mit riesigen Monokulturen und dem massiven Einsatz von Pestiziden.

Die grüne Revolution verbreitete sich über den gesamten Globus. Tatsächlich konnte mit den neuen Sorten Mais, Weizen, Reis und Soja der Hunger in der Welt deutlich gesenkt werden. Der Preis dafür war und ist ein Teufelskreis, indem die überbeanspruchten Böden immer mehr Pestizide und künstliche Dünger benötigen. Gleichzeitig sinkt der Grundwasserspiegel dramatisch und Gewässer werden mit den Chemikalien der Düngemittel- und Pestizid-Industrie verschmutzt. Das wiederum führt dazu, dass immer neue Anbauflächen benötigt und so mehr und mehr Waldgebiete in Agrarflächen umgewandelt werden. Die ertragreicheren Sorten hatten noch einen „Nebeneffekt“. Die riesigen Erntemengen stillten nicht nur den Hunger in der Welt, sie sorgten auch dafür, dass mehr Schlachtvieh gezüchtet werden konnte, weil nun auch ausreichend Futtermittel zur Verfügung standen. Am Ende steht das in enge Metallboxen gezwängte Schwein, das in seinem kurzen Leben nie das Tageslicht sehen wird und für 2 Euro das Kilo, eingepackt in Plastik und mit Stickstoff begast, in der Kühltheke der Supermärkte landet.

Aus der grünen Revolution muss wieder grüne Landwirtschaft werden

Die grüne Revolution machte aus der eher kleinbäuerlichen Landwirtschaft eine Industrie gigantischen Ausmaßes mit zunächst positiven und dann immer mehr negativen Folgen für die Natur und damit auch für die Menschheit.

Unter dem Schlagwort der grünen Landwirtschaft werden vermehrt Anstrengungen unternommen, den Teufelskreis des Gigantismus bei Anbau und Zucht zu durchbrechen. Dass könnte missverstanden werden. Grüne Landwirtschaft bedeutet nicht, dass das Rad der Geschichte zurückgedreht werden soll. Vielmehr geht es einerseits darum, beim Anbau von Feldfrüchten die Belange der Natur stärker zu berücksichtigen und andrerseits in der Viehhaltung dem Tierwohl mehr Platz einzuräumen.

Gerechnet an der jährlichen Schlachtmenge in Deutschland isst jeder oder jede Deutsche, vom Neugeborenen bis zum Hundertjährigen, täglich rund 260 Gramm Fleisch. Dafür sterben etwa 630 Millionen Hühner, die in Käfigen gehalten werden, deren Grundfläche einem DIN-A4-Blatt entsprechen. Hinzu kommen 58 Millionen Schweine und rund 3 Millionen Rinder sowie weitere Tiere in Massentierhaltung wie Enten, Puten, Gänse und auch Fische.  Diese Tiere benötigen im Jahr rund 400 Millionen Tonnen an Futtermitteln und etwa 700 Millionen Tonnen Frischwasser. Das alles bezieht sich nur auf Deutschland.

Grüne Landwirtschaft bedeutet Reduktion

Die für Mensch, Tier und Umwelt ungesunde Entwicklung in der Agrar-Industrie lässt sich nur durch die Verkleinerung der Anbauflächen weltweit erzielen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass nun in den Entwicklungs- und Schwellenländern wieder das große Hungern beginnt. Die Reduktion muss sich auf die Flächen beziehen, auf denen Futtermittel für Schlachtvieh angebaut wird. Weniger Futtermittel bedeutet weniger Zuchtvieh. Gleichzeitig können die nicht mehr benötigten Anbauflächen renaturiert werden. Der CO2-Ausstoß wird verringert, genauso wie der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Trotzdem stehen der Menschheit die „wichtigen“ Grundnahrungsmittel zur Verfügung und Fleisch wird wie noch vor 80 Jahren zur Besonderheit, die vielleicht einmal die Woche auf den Tisch kommt.  

Der Gigantismus in der Agrar-Industrie bezieht sich nicht allein auf die Anbauflächen oder Ställe, in denen tausende Tiere gehalten werden. Er bezieht sich auch auf die eingesetzte Technik. Mehrere Hektar große Felder lassen sich nur mit entsprechend großen Maschinen bewirtschaften. Die jedoch lassen sich nur einsetzen, wenn rund um die Felder die „Natur“ wortwörtlich platt gemacht wird. Mähdrescher mit über 10 m breiten Schnittwerken brauchen viel Platz, nicht nur auf dem Feld. Hecken oder Bäume, kleine Bäche oder natürliche Wiesen, die Lebensräume tausender Arten an Insekten, Vögeln, Amphibien und Nagern gehen im Umfeld solcher Riesen-Felder verloren. Es ist nicht übertrieben, bei derartigen Monokulturen von Agrar-Wüsten zu sprechen.

Grüne Landwirtschaft realisieren

Es ist klar, Felder müssen verkleinert werden. Hecken, Bäche, Auenwälder und Naturwiesen stellen wieder Abgrenzungen dar. Im Anbau wird die Fruchtfolge am Ist-Zustand des Bodens ausgerichtet. Das reduziert deutlich den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Statt riesiger Traktoren, 24-Schar-Pflügen und überdimensionaler Mähdrescher, die den Boden verdichten und alles rundum vernichten, kommen effektive kleinere und den Boden schonende Maschinen zum Einsatz. Der regionalen Vermarktung wird Vorrang eingeräumt.

Wer nun denkt, das ist doch alles Utopie, hat vielleicht nicht ganz unrecht. Doch was bleibt denn sonst? Während Deutschland noch nicht so stark betroffen ist, verzeichnen etwa Italien, Griechenland und Spanien die stetige Ausbreitung von Wüsten und den kontinuierlichen Rückgang von Grundwasser, alles vom Menschen verursacht. Weltweit sind inzwischen 1,5 Milliarden Menschen in 169 Ländern von der sogenannten Desertifikation direkt betroffen, der Verwandlung fruchtbaren Bodens in Wüste.

Der moderne Großbauer in Deutschland, der mehrere Hundert Hektar bewirtschaftet, erzielt mit seinen Ernten immer geringere Gewinnmargen und befindet sich in der Zwangslage, um jeden Preis zu wachsen. Dabei machen die zur Feldbewirtschaftung benötigten großen Maschinen einen gehörigen Teil der Investitionen sowie Reparatur- und Wartungskosten aus. Eine Reduktion der Feldgrößen und die Diversifikation beim Anbau von Getreide, Gemüse und Früchten macht den oder die Landwirtin unabhängiger und die Investitionen in kleinere Maschinen sind wesentlich geringer. Ganz nebenbei hilft es der Natur wieder auf die Sprünge. Auch die Risiken durch Ernteausfälle reduzieren sich, wenn die Landwirtschaft generalistisch und nicht spezialisiert betrieben wird.

Grüne Landwirtschaft, die Zukunft ist regional, nicht global

Kirschen im Dezember aus Südafrika? Garnelen aus der Nordsee, die in Marokko geschält werden, um sie in deutschen Supermärkten zu verkaufen? Rosen aus Mexiko, die jede Nacht mit dem Frachtflugzeug eingeflogen werden? Das Frühstücksmüsli, dessen Zutaten aus zwanzig verschiedenen Ländern importiert wurde? Industrialisierte Lebensmittel, denen bis zu 300 deklarierpflichtige und noch einmal rund 300 nicht deklarierpflichtige Stoffe aus der Chemie zugesetzt werden dürfen? Brauchen wir das wirklich? Oder brauchen wir eine intakte Natur und eine regionale Versorgung mit Lebensmitteln, die nicht durch Tierquälerei und Vergiftung der Böden entstanden sind. Diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten und entsprechend handeln, aber möglichst, bevor es zu spät ist.

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