Die Automatisierung in der Landwirtschaft – Status Quo
In dem Sciences Fiction Kinohit „Interstellar“ scheint die Landwirtschaft der Zukunft vorweggenommen. Die Bewirtschaftung der riesigen Felder erfolgt mittels autonom fahrender Maschinen. Dieses Zukunftsszenario ist nicht so weit weg, wie vielleicht gedacht.
Längst ist beispielsweise das GPS in vielen Mähdreschern und Traktoren der Standard, um damit auf dem Feld beim Säen, Eggen und Ernten die Spurtreue zu halten. Noch nicht so häufig im Einsatz, aber technisch sehr ausgereift ist der Melkroboter, der den Landwirt/innen den kompletten Vorgang des Melkens abnimmt. Teilweise übernehmen Drohnen bereits jetzt das Bestäuben von Pflanzen und im Weinbau schneiden Spezialmaschinen die Reben zurück. Genauso wurden Maschinen entwickelt, die das Ernten von Baumfrüchten übernehmen, ob nun Oliven in der Toskana oder Äpfel im alten Land am Bodensee. Der Vollernter im Wald, der in wenigen Sekunden einen Baum fällt, entastet und zusägt, ist da fast schon ein alter Hut.
Wo heute noch viel Handarbeit erforderlich ist, beim Anbau von Feldfrüchten, tüfteln die Ingenieure an automatisierten Setz- und Erntemaschinen. Hierbei wird sogar der Spargel ins Auge gefasst, der bezüglich der Ernte zumindest bis heute eine Domäne der Erntehelfer ist, die das reife Stangengemüse vorsichtig ausgraben. Gleichzeitig erwächst mit dem Vertical farming dem traditionellen Feldanbau langsam Konkurrenz, die bestechende Vorteile besitzt.
Im Rahmen einer gemeinsamen Studie im Jahr 2020 durch den Deutschen Bauernverband, der Landwirtschaftlichen Rentenbank sowie des Digitalverbandes Bitkom wurden 500 Landwirte zum Einsatz digitaler Technologien auf ihren Höfen befragt. Dabei gaben 82 % an, bereits heute digital gestützte Maschinen einzusetzen. Weitere 10 % planen dies für die nahe Zukunft. Die Spitzenreiter in Bezug auf die Automatisierung der Landwirtschaft sind hierbei automatisierte Fütterungssysteme, die von 46 % der Landwirte genutzt werden. Rund 45 % nutzen außerdem GPS in den Landmaschinen. Gut 40 % haben eine App auf dem Smartphone oder dem Tablet, mit deren Hilfe Farm- oder Herdenmanagement betrieben wird. Etwa 32 % setzen intelligente Steuerungen zum Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ein und bei 28 % werden zur Messung bestimmter Daten in der Tierhaltung und im Feldfrüchteanbau Sensoren verwendet.
Weiterhin ergab die Befragung, dass 81 % der Landwirte überzeugt sind, durch digitale Technologien umweltschonender produzieren zu können. Fast 70 % sehen darin große Chancen für eine nachhaltige Landwirtschaft und 65 % sind der Meinung, dass mit dem Einsatz digitaler Technologien das Tierwohl gesteigert wird.
Auf der anderen Seite werden aber auch mögliche Gefahren und Nachteile durch die digitale Technologie befürchtet. So etwa der Mangel an Mitarbeitern, die mit den Maschinen und den Systemen umgehen können. Auch die IT-Sicherheit, etwa in Bezug auf Hacker, ist ein Thema und nicht zuletzt die Investitionskosten.
Lesen Sie auch: Was bringt die Zukunft in der Landwirtschaft?
Eigentlich liegen die Vorteile der automatisierten Landwirtschaft auf der Hand. Die Ernteerträge werden bei geringerem Dünger- und Pestizideinsatz größer und der Stress für Nutztiere sinkt. Gleichzeitig wird der oder die Landwirtin körperlich entlastet. Der Bedarf an Lebensmitteln steigt mit der zunehmenden Weltbevölkerung, wobei hier auch die Fischzucht erwähnt werden sollte. Sie ist ebenso Teil der automatisierten Landwirtschaft und trägt dazu bei, der Überfischung der Weltmeere Grenzen zu setzen.
Dass es trotz dieser Vorteile Einwände gegen die Automatisierung der Landwirtschaft gibt, darf aber nicht unerwähnt bleiben. Die Gegner führen dabei Argumente an, die nicht so einfach von der Hand zu weisen sind.
Der erste Punkt betrifft die Konzentration von landwirtschaftlicher Fläche auf wenige Höfe, weil sich Landwirte mit wenigen Flächen oder geringem Nutzviehbestand die Automatisierung nicht oder nur in geringem Umfang leisten können. Das berühmt-berüchtigte Hofsterben kann so beschleunigt werden.
Der zweite Punkt hängt mit dem ersten Punkt zusammen. Je größer ein landwirtschaftlicher Betrieb ist, desto mehr muss auf standardisierte Verfahren geachtet werden, um rentabel zu sein und zu bleiben. Das jedoch bedeutet zugleich eine Standardisierung der Feldfrüchte und der Nutztiere. Es folgt das, was in der Lebensmittelindustrie längst Usus ist. Nicht die Maschinen werden dem Lebensmittel angepasst, sondern das Lebensmittel den Maschinen. Turbo-Kühe, Turbo-Schweine und Turbo-Hühner genauso wie makellose Tomaten, Gurken, Kartoffeln und Salatköpfe in Einheitsgrößen sind schon heute „normal“. Dieser Anpassungsprozess wird sich mit der Automatisierung verstärken, gleichzeitig verschwindet die Vielfalt. Es wird nur noch gehalten und angebaut, was in der Masse entsprechenden Ertrag bringt und den automatisierten Maschinen angepasst ist. Auswüchse davon sind zum Beispiel Patentierungen bestimmter Feldfrüchte, oftmals sogar schon sehr lange bekannter Feldfrüchte, deren Anbau ohne Lizenzierung des Patentinhabers eine Ordnungswidrigkeit darstellt, auch wenn bisher keine strafrechtliche Verfolgung deswegen bekannt wurde. Unter diesen Punkt fällt auch die Verschwendung von Lebensmitteln, weil „unschöne“ Feldfrüchte und Obst aussortiert werden.
Der dritte Punkt betrifft die Kulturlandschaft. Große Maschinen sind nur auf großen, möglichst zusammenhängenden Feldern wirtschaftlich einzusetzen. Dem müssen kleine Auenwälder, Hecken und sogar Bachläufe weichen. Mit ihnen verschwinden gleichzeitig verschiedene Vogelarten, Insekten, Amphibien und kleine, bodenbewohnende Säugetiere. Grob gesagt, Fuchs und Hase sagen sich dann zum letzten Mal gute Nacht.
Als vierter Punkt kann angeführt werden, dass ein automatisierter Landwirtschaftsbetrieb weit weniger Personal benötigt. Ein Problem, das ausgerechnet eine Branche trifft, in der sehr viele ungelernte Arbeitskräfte beschäftigt werden.
Bezogen auf die Weltbevölkerung ist der Status Quo der Automatisierung in der Landwirtschaft ausreichend. Schon seit Jahren werden weltweit mehr Lebensmittel angebaut und gezüchtet, als die Menschen der Erde benötigen. Das der Hunger in der Welt trotzdem noch besteht, liegt einzig und allein an politischen, wirtschaftlichen, religiösen und militärischen Fehlentscheidungen.
Im besten Fall wird die zukünftige Automatisierung der Landwirtschaft mehr und mehr in Urbane Gebiete verlegt, siehe vertical farming, und Felder wieder renaturiert. Im schlechtesten Fall ergibt sich ein Zukunftsszenario wie in „Interstellar“, wobei zu bezweifeln ist, dass je eine zweite Erde gefunden wird.
Wir von Wematik wünschen viel Spaß
Wematik.de
Geschrieben am: 2022-05-20